Einige Gedanken anlässlich der Terroranschläge in Wolgograd
von Seepferd
Erneut wird Russland von Terroranschlägen erschüttert. Die Rede ist von den Selbstmordanschlägen im Süden des Landes, in Wolgograd. Man spricht bereits vom dritten Anschlag: der erste ereignete sich am 21. Oktober 2013 und nahm 6 Menschen das Leben, viele wurden verletzt. Der zweite war am 29 November – eine gewaltige Explosion im Wolgograder Bahnhof, der dritte – bereits am nächsten Tag, am 30. November, eine Bombe geht hoch in einem O-bus. Viele sterben, noch mehr werden verletzt. Die Stadt verwandelt sich in eine trauernde Hochsicherheitsburg, die Sylvester-Offiziösitäten werden abgesagt.
So spektakulär die Bilder, so hasserfüllt die Kommentare, so gewohnt ist inzwischen das Ganze. Es scheint manchmal, niemand hat etwas Wichtiges dazu zu sagen. (1) Klar, wollte man Reden voller Pathos schwingen, sollte man sich es lieber verkneifen. Der nicht-existente kritische Journalismus, die zertrampelte „Zivilgesellschaft“, die „progressiven Kräfte“, alle wirken sehr zurückhaltend. Warum? Wohl nicht nur aus Pietät, Mitleid oder Trauer. Es ist einfach schon alles gesagt worden, vor vielen Jahren. Es hat seit der 1. Tschetschenischen Kampagne 1994 nicht aufgehört zu krachen , das sind mittlerweile 20 Jahre. Dennoch werden manche Dinge sichtbarer, etwas ist seitdem auch anders geworden, einiges wird sich noch ändern.
Es stimmt allerdings nicht ganz, mit dem „Süden der Republik“. Und warum werden eigentlich so gerne nur Terroranschläge auf dem „russischen“ Boden aufgezählt? Plötzlich erinnert man sich: tatsächlich, im August 2004 explodierten zwei Passagierflugzeuge in der Luft über Tula und Rostow-na-Donu, März 2010 sprengen sich zwei Attentäterinnen in der Moskauer U-Bahn, Januar 2011 sprengte sich ein Terrorist im Moskauer Flughafen Domodedowo – um nur die bekanntesten Anschläge zu nennen. Es waren in diesen 20 Jahren um einiges mehr. Es kommt darauf an, an was man sich erinnern möchte und wo der „russische“ Boden beginnt. Nimmt man doch dazu den täglichen Ausnahmezustand in Dagestan, Tschetschenien und Inguschetien, all die bewaffneten Übergriffe, Entführungen usw., was in den polizeilichen Statistik als organisierte Kriminalität und Banditismus, und eben nicht als Terrorismus geführt wird, verändert sich das Bild komplett. Continue reading “Vom Kaukasischen Emirat zum slawischen Wahhabiten”