Stell dir vor, früher oder später kommt der Frühling. Hecktisches, geschäftiges Menschentreiben in der Stadt wird wieder einen Anschein der Natürlichkeit bekommen, dadurch wird aber das Treiben nur noch verzweifelter wirken. Die Tage werden wieder wärmer, heller und länger, die Pflanzen werden sich langsam in Grün kleiden. Alles mögliche Getier taucht vermehrt in der Stadt auf, kriecht aus seinen dunklen Ecken und Löchern hervor – selbst aus den performativen Rissen zwischen den totalen Diskursen kommt es heraus gekrabbelt – und entwickelt seinerseits eine ungestüme Aktivität, als wollte es damit das Treiben der Menschen nachahmen. Die Löcher und die performativen Risse sollen jetzt für Kopulationen freigehalten werden. Alles nur, um sich selbst kurz über die eigene individuelle Nichtigkeit und Vergänglichkeit zu täuschen. Dass es tatsächlich noch den Frühling gibt, daran konntest du dich nicht mehr erinnern, aber du hast im Winter fast jede Nacht etwas über ihn gelesen und nicht so richtig geglaubt.
Nun stell dir vor, wie alles, was herumrennen, -fliegen oder auch nur herumkrabbeln kann, sich in Herden zusammenschließt und die Straßen mit seinen kollektivierten Körpern füllt. Wie es neugierig, lüstern die Luft schnuppert, wie es zittert, frohlockt und fordernd in den Himmel schreit: „Frühling! Sonne! Liebe!“ Auch du wirst durch ungewohnte Wärme und Licht aufgeweckt, wirst dich mit den anderen zusammenrotten, wirst die Sonne anblinzeln, wirst staunen, ob das immer noch dieselbe Stadt ist und mit wem du so alles Seite an Seite überwintert hast. Komische Gestalten, aber was soll‘s, warum denn nicht? Nicht mehr sparsam leben, den Überfluss verschleudern, wegwerfen, das allerkleinste und das allergrößte Opfer, zu welchem du angehalten wirst. Alsbald wirst auch du von der euphorischen Stimmung erfasst und im Getöse wuchernder Gesundheit miteinstimmen, nur auf deine eigene Weise, denn deine Gattung wird dir gerade mal so viel Individualität gestatten. Bereitwillig schaust du in die zuckenden Gesichter, die mit sich windenden Schatten sich überlagern, und blökst mit: „WÜRMER! WÜRMER!“ Denn ein Fadenwurm in deiner Augenhöhle ist bekanntlich das beste Vergrößerungsglas.