von Dmirty Desyaterik, 23.04.2014
Makejewka ist von Separatist*innen eingenommen. Eine Versammlung. Ein Typ mit kurzen Haaren hält eine Rede, er gibt sein Gespräch mit Vertretern der Bewegung „Russische Nationale Einheit“ (RNE – über sie weiter unten) in Belarus wieder: er wurde versichert, dass Lukaschenko, genau wie Putin, den Aufstand unterstützt. Seine Rede schließt er mit den Worten „Lang lebe Donbass! Lang lebe Russland!“ und einer gut bekannten Geste – dem ausgestreckten rechten Arm – ab. Mit dem nazistischen Gruß, falls jemand das nicht verstanden hat; demjenigen Gruß, der auf dem postsowjetischen Territorium eigentlich nur noch in Kinochronik auftauchen sollte. Dafür kriegt er tosenden Applaus, begeisterte Rufe.
Die Tat eines einzelnen Idioten?
Nein.
An die Macht in der Ukraine ist ein faschistischer Putsch gekommen. Auf Kiewer Straßen spazieren faschistische Schläger herum. Die Zivilbevölkerung überall im Lande wird von pro-faschistischen Trupps terrorisiert. Der Maidan soll faschistisch sein. Die Selbstbezeichnung der Anhänger des italienischen Diktators Mussolini wurde zunächst zum Teil des Lexikons der Regionen-Partei, und heute wird sie ununterbrochen von Separatist*innen im Osten und ihren Schutzpatronen im Kreml benutzt. Zu Faschisten wird gerechnet, wer mit ihnen nicht einverstanden wird. Wörter jedoch, genau wie Gegenstände, verfügen über eine gewisse Festigkeit und genau wie Gegenstände verschleißen sie durch den intensiven und ungeschickten Gebrauch. Das Wort „Faschismus“ verwandelte sich im pro-rusischen Informationsraum in ein leeres Zeichen, das keinen Bezug zur Realität hat. Das politische Leben jedoch duldet keine Lücken.
Wir müssen uns an die einfachsten Wahrheiten erinnern. Nicht für militante Ignoranten, sie werden uns sowieso nicht erhören, sondern einfach, um weiter zu kommen. Der Faschismus (Nazismus) – ist eine autoritäre Ideologie, die in sich Imperialismus, Machtkult, Intoleranz gegenüber fremden Denken und hauptsächlich den derbsten, ekelhaftesten Rassismus, den Hass gegenüber anderen Nationen vereint, die im Vergleich mit der Ethnie, der der/die Faschist*in selber angehört, als minderwertig erachtet werden. Die Anderen werden mit allen möglichen Einschränkungen belegt, sie werden gehetzt, ihrer Rechte beraubt und im Idealfall – ausgelöscht.
Faschismus ist nicht nur eine menschenverachtende Doktrin. Er ist auch eine dementsprechende Praxis – in Worten wie in Taten.
Die Praxis der Separatist*innen in der Ostukraine sind Aufmärsche unter schwarz-gelb-weißen Trikoloren, die Fahnen der russischen Nazis sind. Die Praxis des Präsidenten Putin besteht darin, Westukrainer*innen als Menschen zweiter Klasse zu bezeichnen. Die Praxis des ersten „vom Volk gewählten Oberbürgermeister des Donetsker Land“ Pawel Gubarew ist die Mitgliedschaft in der oben erwähnten RNE, die war und bleibt eine typische (neo)nazistische Organisation – mit Hitlergrüßen, Hakenkreuzen und einer Parteihymne zur Musik von Horst Wessel (da meint der Autor wahrscheinlich das sog. Horst-Wessel-Lied, das nicht vom Wessel selbst stammt – Anm.d.Ü).
Die Praxis der heutigen Krim sind Hakenkreuze an der städtischen Synagoge am nächsten Tag nach dem Einmarsch von Putins Truppen, Arbeitsangebote nur für slawisch aussehende Personen, Angriff auf das Büro der Organisation der Krim-Tataren unter den Rufen „Haut ab nach Usbekistan!“
Mehr davon?
Auf der Separatist*innen-Versammlung in Charkow ertönt die Losung „Nieder mit dem jüdeo-banderischen Faschimsus!“
Der selbsternannte Bürgermeister von Slawjansk Wjatscheslaw Ponomarjow erklärt alle, die Ukrainisch sprechen, für vogelfrei.
In Stachanow schießt man auf Jugendliche mit den blau-gelben Fahnen.
In Donetsk tauchen antisemitische Flugblätter auf, die dem Stil nach ähnliche Erlasse der hitleristischen Besatzung von vor 70 Jahren wiederholen.
In Slawjansk unter dem Vorwand des Kampfes gegen Drogenkriminalität verprügelt und raubt man Roma aus.
Zu guter Letzt das Markanteste: die Eröffnung eines eigenen separatistischen TV-Senders in Slawjansk. Sofort nach dem Vorschaubild erscheinen drei lustige Jungs, die erklären, dass ihr Ziel „der stärkste Schlag gegen die biblische Matrix und zionistische TV-Zombierung“ sei, danach erwähnt einer noch mal – damit die Zuschauer*innen es sich besser merken können – das „zionistische TV“. Als Inhalt der ersten Sendung dient ein Vortrag eines der Anführer der russischen Bewegung „Das Konzept gesellschaftlicher Sicherheit“ – eines Zusammenschlusses aus Rassit*innen, Antisemit*innen und Paranoiden, die bereits seit Jahren gegen die „jüdische Freimaurerei“ ankämpfen.
Man kann noch weitere Tatsachen anführen, die Schlussfolgerung wäre aber so unangenehm wie offensichtlich: unter dem Geschwätz von blutrünstigen „Benderas“ kommt auf uns der putinsche Faschismus zu. Der erbarmungslose. Der echte. Der gewöhnliche Faschismus.
In Kiew gibt es eigene rechtsradikalen Clowns, aber alles, wozu sie zum Glück fähig sind, ist einen bequemen Popanz für russеische Massenmedien abzugeben; gewissermaßen eine kollektive Visitenkarte Jaroschs zu sein.
Und — um dem überflüssigen Pathos nicht zu verfallen – wisst ihr, was am lächerlichsten ist?
Das, was heute Kremloiden und ihre Komplizen in der Ostukraine und auf der Krim tun, ist exakt das, was diese ganze rechtsextreme Clown-Armee mit dem Land anstellen würde, wenn sie’s nur könnte.
Wozu ich allen beteiligten Seiten auch gratuliere.