Fair gehandelte Langeweile in Würgtown

Es ist manchmal sehr interessant, wie manche Menschen dem Sog des Sommerlochs in Würgtown zu entkommen versuchen. Kaum zu glauben, ist einmal  die übliche Klientel des Bildungsstreiks (soweit mensch von solcher sprechen  kann) aus der Stadt, geschehen durchaus amüsante Sachen. Zu unserer Schande  müssen wir gestehen, bei Critical Mass waren wir nicht und können folglich auch  nicht einschätzen, was das für Menschen sind und ob sie mit dieser Stadt und  diesem Sommer mehr Probleme haben, als dass in Würgtown kein nötiger Respekt  den FahrradfahrerInnen entgegengebracht wird. Auch beim CSD neulich sind wir  nur zufällig vorbeigelatscht und haben nur wenige Worte aus irgendeinem interessanten  Vortrag oder Aufruf aufgeschnappt. Hoffen wir nur, dass es nicht wirklich so  todlangweilig war, wie es aussah: Info-Stände der Linkspertei (die Gerüchte  zufolge in näxter Zukunft mit Hamas fusionieren wird), der SPD und dergleichen  unter dem Banner mit dem unverständlichen, aber bestimmt gut gemeinten Namen „Toleranz-Fabrik“.  (Was uns so alles bei diesem Namen durch den Kopf schießt, ist kaum zu  beschreiben…)

Auch das Sommerfestival von xyeahx zählen wir zu  außergewöhnlichen Veranstaltungen nicht. Anständiges Musik-Fest für Alternativbewegte,  das sogar liebeswürdigerweise mit dem Spruch „Hier ist Kapitalismus, kein  Fair-Trade“ warb. Nun, geschuldet war das der Ansammlung von diversen  Es-gut-mit-dieser-Welt-Meinenden in der näxten Nähe: auf der Bastion neben dem  Cairo. Denn ja, dieses Publikum, so friedfertig es ist, kann sehr nervtötendund störend sein.

Einige SchülerInnen und StudentInnen, die aus ungeklärten  Gründen immer noch in der Stadt sind, und Menschen, die eher nach Angestellten,  Verbeamteten u.Ä. ausgesehen haben, versammelten sich, um faire Brötchen mit  fairen Getränken zu konsumieren, fair nachgespielte MTV-Musik zu hören. In den  Pausen dazwischen konnte mensch sich von Attac, INWO, Greenpeace und anderem  guten Gewissen unserer Epoche erklären lassen, wie die Welt sich noch fairer  gestalten ließe. Sogar der mittelmäßige Börsenkommentator der n-tv R. Brichta  beehrte Würgtown mit einem Vortrag über unser böses Geldsystem. Die dargebotene  „Analyse“ war so tief, dass es einem / einer beim Blick in die Tiefen  schwindelig wurde. Oder viel mehr: (kotz)übel. Nun, wir glauben tatsächlich,  dass es objektive Gründe gibt, warum Mittelschichten so und nicht anders  ticken, warum sie, wenns heikel wird, Zuflucht bei Silvio Gesell und INWO  suchen, aber nur Zuflucht und eben keine Lösungen oder Erklärungen. Brichta und  sein begeistertes Publikum waren am Verstehen nicht interessiert, obwohl das  ganze natürlich als „Aufklärung“ verkauft wurde. Das ist wohl auch der Grund,  warum bei denen immer Geld, Zins, Zinseszins, gierige Manager und doofe PolitikerInnen  das Thema sind, aber nicht die Wirtschaftsweise dieser Gesellschaft,  Kapitalismus nämlich. So sehen sie notwendigerweise nur etwas Dunkles und Bedrohendes im Hintergrund und verstehen sich (auch unser Aufklärer Brichta,  welch Überraschung) auf Geschwafel von Welteliten und sonstige  Verschwörungstheorien. Entsprechend „radikal“ waren auch die Lösungsvorschläge  für „unser“ Gelgproblemchen.

Nun fragt sich, was wir auf dem Festival gesucht haben?  Mittelschichten bekehren? Schüler für unseren mega-coolen Lesekreis zu  gewinnen? Wir wollten widersprechen, was allerdings armselig ausfiel. Mensch  kann wahrlich niemandem vorwerfen, sich diesem Fest der verkürzten  Kapitalismuskritik verweigert zu haben. Schade aber, dass so tapfere und  entschlossene Antifa, die so gerne bei Kleinigkeiten und Bedeutungslosigkeiten  wie Würgtowns Linke Antisemitismuskeule schwingt und so viel über Israel zu  wissen scheint, zum weit verbreiteten strukturellen Antisemitismus unter Würgtowns anständigen Leuten schweigt.

Auch diesmal waren wir kurz davor entfernt, ins verhasste  Sommerloch zu kotzen. Und das war wirklich knapp. Begeben wir uns auf dieweitere Suche und gehen wir mit vereinigter Kraft an diese ehrenwerte Aufgabe! We’re on the mission! Kein Fußbreit dem Sommerloch!

(Im Übrigen denken wir, dass die Dialektik von Kotzen und  Sommerloch wirkliche einer näheren theoretischen Auseinandersetzung wert ist. Vielleicht kommts sogar noch eines Tages dazu.)

Bis die Tage.

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